Beerenobst Rhön-Vogelsberg




Marktkorb am Sonntag - 16.08.2007
Und Holunder schmeckt doch
Die Mischung macht's: Die Beerenobstgemeinschaft Rhön-Vogelsberg bietet eine enorme Saftvielfalt an. Von Caroline Schreiner

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Hosenfeld. „Bei Grippe, Husten, Heiserkeit, halt stets Holundersaft bereit.“ Diese alte Volksweisheit haben sich auch Marianne Münker und ihr Mann Manfred auf die Fahnen geschrieben. Seit 1989 bauen sie gemeinsam mit sieben anderen landwirtschaftlichen Betrieben Holunderbeeren und schwarze Johannisbeeren in der Beerenobstgemeinschaft Rhön-Vogelsberg an und vertreiben mittlerweile 27 Produkte erfolgreich in Hessen und an Bundesländern.
„Ich gebe ja zu, dass reiner Holundersaft kein echtes Highlight für die Geschmacksnerven ist. Aber der Saft ist enorm gesund, und man kann ihn ja auch mischen“, erklärt Marianna Münker, beispielsweise mit Apfelsaft, im Sortiment der Beerenobstgemeinschaft auch als die Saftkomposition „Apfel-Flieder“ erhältlich. Ihr Mann ergänzt grinsend: „Ich trinke ehrlich gesagt lieber den Nektar oder mische den Holunder-Muttersaft zur Hälfte mit Johannisbeer-Muttersaft.“
Dass ihr Zusammenschluss einmal so erfolgreich sein würde, hätten sich die Mitglieder der Beerenobstgemeinschaft Ende der 80er Jahre so nicht erträumt. „Damals war die Landwirtschaft im Umbruch, die Preise sanken, und wir mussten uns nach Alternativen umsehen. Und so entstand nach und nach die Idee, Beeren anzubauen -ursprünglich gedacht als natürlicher Farbstoff für die Lebensmittelindustrie. Die Idee der Direktvennarktung war da noch nicht geboren“, erzählt Marianne Münker, neben Hermann Weismüller und Herbert Hütsch Geschäftsführerin der Gemeinschaft.
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Schnell musste die Truppe, deren Mitglieder quer über den Landkreis verteilt sind, jedoch umdenken. „Der Industrie waren unsere Kosten zu hoch, und hatten eine erste Ernte von 50 Tonnen.“ Was also tun? Die Beerenobstgemeinschaft wandte sich an die Kelterei Elm in Flieden, damals auch im Aufbau begriffen und laut Ehepaar Münker an Innovationen interessiert. Aus 30 Tonnen Beeren entstanden die ersten fünf Produkte zur Direktvermarktung: Johannisbeer- und Holunder-Muttersaft sowie die drei Weine mild, trocken, Dessert. Die restlichen 20 Tonnen Rohware wurden an die Kelterei Elm verkauft. „Und dann haben wir mit einer regelrechten Öffentlichkeitsarbeit begonnen. Wir organisierten ein Hoffest in Maberzell mit einer großen Pressekonferenz, richteten Verkaufsstellen auf unseren Höfen sowie in Getränkeläden, Lebensmittelläden und in Apotheken ein“, erzählt die 52-jährige gelernte Industriekauffrau und fügt hinzu: „Zudem sind wir auf zahlreiche Märkte gefahren und haben uns mit dem Johannisfeuer auf dem Fuldaer Weihnachtsmarkt etabliert. Das war und ist ein großer Werbeträger für uns.“
Zum Holunder Holunder (Sambucus nigra) wird im Volksmund auch Holler, Holder und Flieder genannt. Die Germanen verehrten im Holunder die im Märchen als Frau Holle überlieferte Unterweltgöttin Hel, Hüterin von Pflanzen und Tieren. Als Hausbaum wurde (und wird) der Holunder gegen böse Geister und Blitzschlag gepflanzt. Mit seinen reifen Beeren wurden Haare, Leder und Wein gefärbt. Und selbst wer an nichts weiter als an Gesundheit und gutes Essen glaubt, hat vom Hollerbusch seinen Nutzen. Holunder ist eines der bekanntesten Volksheilmittel, stärkt das Immunsystem, senkt Fieber, reguliert den Darm, reinigt das Blut, lindert Schmerzen und Erkältungssymptome. Sein hoher Mineralstoff-und Vitamin-C-Gehalt gilt als Vorbeugung gegen Herzinfarkt. Und geradezu legendär sind die vom Blütenaufguss verursachten Schwitzkuren: „Fliedertee“ heißt dieses Gebräu noch immer. Denn Flieder hieß diese Pflanze lange bevor der Name auf den duftenden Zierstrauch überging.
Mittlerweile bewirtschaftet die Beerenobstgemeinschaft eine Fläche von 25 Hektar mit Johannisbeersträuchern und 28 Hektar mit Holunderbüschen, erntet etwa 210 Tonnen Beeren und beliefert 15O Verkaufsstellen. Weitere Hektar mit Holunder sollen in den nächsten Jahren folgen. Außerdem soll bis zum Jahr 2009 der komplette Holunder-Anbau und die Verarbeitung biologisch ablaufen - momentan laufen die Vorbereitungen für die Zertifizierung. Bislang arbeiten in der Gemeinschaft nur drei der acht Betriebe rein biologisch. Diese Beeren werden nach Auskunft von Manfred Münker jedoch getrennt von den anderen geerntet, gepresst und gelagert.
Dass den Münkers ihre Arbeit große Freude bereitet, merkt man besonders dann, wenn sie über die Entwicklung ihrer Produkte sprechen. Vor allen Dingen Marianne Münker ist das Kreieren von neuen Kompositionen ein Herzensanliegen. Die passionierte Jägerin erzählt: „Auf die Idee, aus Hollerblüten Getränke herzustellen, kamen wir vor Jahren im Urlaub in der Steiermark. Dort gab es überall Hollerblütensirup zu trinken. Gemeinsam mit Harald Elm haben wir dann später experimentiert, und unsere Ergebnisse können sich sehen lassen: Holunderblüten-Sirup, -Likör, -Sekt und sogar einen Cocktail namens SambuKuss.“
Eines der Hauptanliegen der Beerenobstgemeinschaft, den Holunder wieder stärker ins Bewusstsein der Konsumenten zu rücken, ist ihnen auf jeden Fall gelungen. Holunderblüten und -beeren sind in aller Munde. „Es bereitet uns richtig Freude, welch großartige Renaissance diese Früchte erfahren haben.“