Beerenobst Rhön-Vogelsberg



Hof Direkt - Zeitschrift für Direktvermarkter - 6/2007
Hof Direkt
Beerenobst gemeinsam vermarkten – unter dieser Überschrift berichteten wir vor 10 Jahren in der ersten Ausgabe von Hof Direkt über die Beerenobstgemeinschaft Rhön-Vogelsberg. Auf über 50 ha bauen die Betriebe schwarze Johannisbeeren und Holunder an. Die Kelterei Elm in Flieden gewinnt daraus verschiedene Säfte, wie Holunder-Muttersaft, Johannisren und Holunder an. Die Kelterei Elm in Flieden gewinnt daraus verschiedene Säfte, wie Holunder-Muttersaft, Johannis-Fliedersaft oder Johannisbeernektar, aber auch ausgefallenere Produkte wie Hollerblüten-Sirup, Weine, Sekt und Spirituosen aus Johannisbeeren und Holunder ergänzen das Angebot. Diese breite und abwechslungsreiche Produktpalette sorgt für einen florierenden Absatz. „Wir bieten 26 verschiedene Produkte an, davon acht Bioerzeugnisse“, berichtet Marianne Münker stolz. „Vor zehn Jahren hatten wir 17 Erzeugnisse, davon zwei Bioprodukte, im Sortiment“, macht die 52-jährige Geschäftsführerin der Beerenobstgemeinschaft die Entwicklung deutlich. (Weitere Zahlen zur Entwicklung der Beerenobstgemeinschaft stehen in der Übersicht.) Marianne und Manfred Münker erzeugen in Hosenfeld-Schletzenhausen, Kreis Fulda, auf 20 ha Beerenobst im Nebenerwerb.

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Bewährte Struktur
1989 gründeten acht Landwirte -vier Betriebe wirtschaften im Nebenerwerb die Beerenobstgemeinschaft Rhön-Vogelsberg. Sie sind organisiert in der Unternehmensform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR); alle Mitglieder sind gleichberechtigt an den Entscheidungen des Erzeugerzusammenschlusses beteiligt. „Wir treffen uns etwa alle zwei Monate“, berichtet Manfred Münker. Diese Treffen sind gut vorbereitet. „Mindestens eine Woche vorher verschicken wir eine Einladung mit klarer Tagesordnung, damit wir bei unseren Besprechungen zügig vorankommen“, macht der Nebenerwerbslandwirt deutlich, wie professionell die Beerenobstgemeinschaft sich aufgestellt hat. Sei es die Auswahl neuer Etiketten oder die Einführung neuer Produkte - die acht Landwirte diskutieren alle Fragen gemeinsam und treffen dann ihre Entscheidung. In den ersten Jahren haben die Mitgliedsbetriebe alle Beschlüsse einstimmig gefasst. „Jetzt gelten bei uns Mehrheitsentscheidungen. Unsere Gemeinschaft ist so gefestigt, dass sie es aushält, wenn nicht alle Betriebe der gleichen Meinung sind“, erläutert Manfred Münker.
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Klare Strukturen allein reichen aber nicht aus, um die Beerenobstgemeinschaft am Laufen zu halten. „Das Miteinander muss stimmen und wir reden offen und ehrlich über alle Fragen“, erklärt Marianne Münker wie der Zusammenhalt funktioniert. „Wichtig ist uns auch, dass die Partnerinnen bei den Besprechungen dabei sind, denn sie müssen die Entscheidungen mittragen und außerdem bringen sie noch einmal einen anderen Blick auf gewisse Themen“, diese Erfahrung hat die Geschäftsführerin über die Jahre gesammelt. Das Konzept geht auf: Die Beerenobstgemeinschaft gibt es seit fast 20 Jahren. Darauf können die Mitglieder zu Recht stolz sein.

Immer wieder neue Produkte
„Wir müssen regelmäßig neue Produkte auf den Markt bringen und unseren Kunden so immer etwas neues bieten“, beschreibt Marianne Münker die Gesetze des Marktes. Die Beerenobstgemeinschaft hatte auch schon immer Bioprodukte im Programm, denn drei Mitgliedsbetriebe wirtschaften seit langem nach Biorichtlinien. Auch die Kelterei Elm ist gemäß den EU-Richtlinien als Bioverarbeiter zertifiziert.
In den letzten Jahren konnten die Hessen zwei große Trends ausmachen: stark gefragt sind Holunderblütenerzeugnisse und Bioprodukte. Darauf haben die Beerenobsterzeuger reagiert. Die Holunderanbaufläche ist von 7 ha im Jahr 1997 auf aktuell 26 ha angestiegen. Außerdem befindet sich der Holunderanbau im zweiten Jahr der Umstellung und darf ab 2009 als Bioholunder gemäß EU-ÖkoVerordnung vermarktet werden.
Zur Palette an Blütenprodukten gehören Sirup, Likör und Sekt. Jüngstes Kind ist der SambuKuss, ein Holunderblütensecco mit 5 % Alkohol, der in erster Linie junge Leute ansprechen soll.
Doch nicht alle neuen Produkte schlagen so gut ein, wie die Blütenerzeugnisse. Es kommt auch mal vor, dass sich neue Erzeugnisse als Flop erweisen, wie z.B. die Holunder-und Johannisbeer-Joghurtgetränke. Nach vier bis sechs Wochen setzte sich bei den Shakes der Joghurt unten in der Flasche ab. Das hatte zwar auf Geschmack und Qualität keinen Einfluss, ließ sich aber aufgrund der Optik nicht verkaufen.
Für manche Erzeugnisse braucht man auch einen langen Atem. Es dauerte eine Weile, bis sich der Holunder-Muttersaft am Markt etabliert hat, doch das zunehmende Gesundheitsbewusstsein der Käufer sichert nun dem Saft seine Abnehmer.

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Bewährte Absatzwege
Die Vermarktung organisiert die Beerenobstgemeinschaft in eigener Regie. Zunächst verkaufen die Landwirte ihre Beeren an die Gemeinschaft. Die Kelterei EImsowie zwei weitereVerarbeiterstellen daraus im Auftrag der GbR Säfte, Weine, Sekt und Spirituosen her. Diese Produkte kaufen die Erzeuger zum Einstandspreis von der GbR zurück. Die Preise für das Kilo Beeren sowie Mindestverkaufspreise für die verarbeiteten Produkte liegen fest. Auf diese Weise sind die Beerenobsterzeuger von Marktpreisschwankungen unabhängig. Die Margen sind so berechnet, dass jeder einzelne Betrieb daraus die Kosten für die Vermarktung und die eingesetzte Arbeit erwirtschaften kann. Wie viel am Ende für den Einzelnen übrigbleibt, hängt also davon ab, wie effizient er die Vermarktung betreibt.
Jeder der acht Betriebe verkauft die Produkte ab Hof. Dabei betreibt nicht jeder Betrieb einen Hofladen. Marianne Münker hat z. B. im Keller ihres Wohnhauses einen Verkaufsraum eingerichtet, der auch genug Platz für Verkostungsaktionen bietet. Über 160 Verkaufsstellen, vornehmlich in Hessen, bieten die Beerenobstprodukte an. Dazu gehören Hofläden, Weinhandlungen oder Blumengeschäfte. Die Mitgliedsbetriebe sind auf Kundensuche gegangen und haben andere Geschäftsleute als Wiederverkäufer gewonnen. Wer einen neuen Kunden binden konnte, erhielt für die Region einen Gebietsschutz, damit sich die Mitgliedsbetriebe nicht gegenseitig Konkurrenz machen.
Die Beerenobstgemeinschaft hält Prospekte, Poster sowie Informationen über die Produkte bereit, die die Beerenobsterzeuger an die Wiederverkäufer weitergeben können. So haben diese das nötige Rüstzeug, um die Kunden kompetent zu beraten. Besondere Vermarktungsaktionen, z. B. Verkostungen oder verkaufsfördernde Maßnahmen wie eine Flasche gratis beim Kauf einer bestimmten Menge sollen den Absatz ankurbeln.
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Diese Organisation der Vermarktung hat sich bis heute bewährt.
Gegenüber großen Lebensmittelketten tritt die GbR als Geschäftspartner auf. Besonders gut hat sich die Partnerschaft mit Rewe entwickelt. Die Produkte der Beerenobstgemeinschaft sind als Landmarktprodukte anerkannt und werden als solche in den Supermarktfilialen an exponierter Stelle angeboten. "Das Landmarkt-Projekt hat sich sehr gut entwickelt, doch insgesamt wollen wir nicht zu große Umsätze mit dem Lebensmitteleinzelhandel tätigen, um uns nicht in eine Abhängigkeit zu begeben“, beschreibt Manfred Münker die Strategie.
In den letzten Jahren hat der Versandhandel ebenfalls zugelegt. Urlauber lernen die Pordukte während ihrer Ferien kennen und lassen sich Saft, Likör und Co. nach Hause schicken. Bestellannahme und -abwicklung erfolgen derzeit noch ganz konventionell per Telefon und Fax. Auch per Mail können Kunden die Beerenobsterzeugnisse bestellen (www. beerenobst-rv.de). Als nächstes soll eine Online-Bestellmöglichkeit das Ordern der Produkte vereinfachen. Ob das Ganze sogar zu einem „echten“ Online-Shop mit Bezahlmöglichkeit ausgebaut wird, ist allerdings noch offen.
Ein weiterer Service sind geschmackvoll verpackte Präsentkörbe, die nach Kundenwunsch mit verschiedenen Beerenobsterzeugnissen gefüllt werden. Die Betriebe halten außerdem eine Auswahl an Geschenkverpackungen bereit.
Auf dem Weihnachtsmarkt in Fulda tritt die Beerenobstgemeinschaft auch als Vermarkter gemeinsam auf. Während des vierwöchigen Marktes schenken die Landwirte im Zweischichtbetrieb von 10 bis 20 Uhr ihr „Johannisfeuer“ an die Weihnachtsmarktbesucher aus. In diesem Jahr wollen die Hessen neben Glühwein und dem heißen Johannisbeerwein auch ein Holunderblütenheißgetränk anbieten. „Wir tüfteln noch am Rezept und am Namen“, verrät Marianne Münker.

Anspruchsvollere Kunden
Sind die Kunden in den vergangenen Jahren anspruchsvoller, kritischer vielleicht sogar schwieriger geworden? Marianne Münker ist nun schon lange Jahre im Geschäft und ihr Eindruck ist: "Die Kunden haben schon höhere Ansprüche. Sie möchten mehr über die Produkte und ihre Herkunft wissen. Sie fragen intensiv nach und sind bei der Produktauswahl kritischer geworden.“ Für die Beerenobstgemeinschaft ist das ein Vorteil. „Heimische Produkte sind gefragt und es entspricht unserer Philosophie, heimische Produkte anzubieten“, so Marianne Münker. Auch das zunehmende Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher kommt der Vermarktungsgemeinschaft entgegen. Aspekte zum Gesundheitswert der einzelnen Säfte stehen ganz oben auf der Liste der häufig gestellten Fragen. Hier können Münkers und die anderen Betriebe der Beerenobstgemeinschaft punkten. Denn Holunder und schwarze Johannisbeeren sind ausgesprochene Gesundfrüchte, die mit ihrem Mineralstoff-und Vitamingehalt zahlreiche andere Früchte in den Schatten stellen. Auch der hohe Anteil an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen macht Produkte aus diesen Früchten bei den Kunden beliebt.

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Zukunftsaussichten
Marianne und Manfred Münker ziehen eine positive Bilanz der letzten zehn Jahre. „Wir profitieren vom Holunderboom“, so die Geschäftsführerin, „und erfüllen mit der breiten Palette an Blütenprodukten und der Umstellung auf Bio die Wünsche des Marktes.“ Die verkauften in derDirektvermarktung konntengesteigert werden, auch wenn „wir unser Absatzpotenzial nicht ausschöpfen“, wie Manfred Münker selbstkritisch anmerkt. Neue Absatzwege zu erschließen und Kunden zu gewinnen kostet Zeit, die den Betrieben schlicht und einfach fehlt. Es wurde auch erwogen, dafür eine Arbeitskraft einzustellen, aber dazu sind die Margen wiederum zu gering. es also auch nach wie vor „Baustellen“ gibt, sehen Familie Münker und ihre Kollegen die gemeinsame Vermarktung grundsätzlich als kunftsmodell an. Durch den offenen und ehrlichen Umgang miteinander bleibt die Gemeinschaft handlungsfähig und kann auf Marktentwicklungen reagiern. Konkret plant die Beerenobstgemeinschaft altersbedingt aber eher mittelfristig. Auf vielen Betrieben ist die Nachfolge noch offen, auf einem Hof hat allerdings schon der Nachfolger das Ruder übernommen und den Platz des Vaters in der Beerenobstgemeinschaft eingenommen.

Autor: Ute Heimann